Bianca Blum

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Das Meer lässt mich alles rundherum vergessen.  Das Farbspektrum, seine Tiefe, Wildheit, aber auch unglaublich sanfte Ruhe ist für mich der Innbegriff von Schönheit und innerer Kraft. Eine ähnliche Wirkung hat der Wolkenhimmel auf mich. Es gibt sie noch, die unberührten Strände, sauberes Meerwasser und klare Luft. Aber häufig sieht die Realität ganz anders aus. Der Mensch zerstört die Natur und setzt sich über andere Lebewesen. Man kann ihm den Spiegel vorhalten und das ganze Ausmaß seiner Zerstörung zeigen oder ihm die Schönheit sichtbar machen, die er oft nicht mehr wahrnimmt und an der er in der Alltagsmaschinerie vorbei läuft. Meine Bilder sollen dem Betrachter vor Augen führen, wie kostbar, unglaublich und zauberhaft unsere Welt ist! Man muss nur genau hinsehen, dann entdeckt man selbst in einem einfachen Grashalm etwas Besonderes und Formvollendetes.

Meine besondere Liebe galt immer schon den Tieren. Zu sehen wie der Mensch ihnen zusetzt ist für mich unerträglich. Die Meere sind verschmutzt, Tiere werden ausgerottet, gejagt, getötet, ihre Heimat zerstört. Manchmal fehlen mir die Worte. Durch meine Bilder kann ich meine Liebe zu ihnen und meinen Wunsch nach einer besseren Welt ausdrücken. Wenn ich einem Tier in die Augen sehe, erblicke ich darin Freude, Leid, Schmerz, Wut, Trauer, Liebe, ganz so als blicke ich in einen Spiegel. Nur wenn der Mensch begreift, wie wertvoll unser Planet ist, lernt er vielleicht ihn zu achten und zu schützen.

 

 

 

 

Visuelle Gedichte.

Zu den Wolken- und Meerbildern Bianca Blums.

Grashalme wachsen in den Himmel. Es scheint, als bewege sie eine leichte, sanfte Brise, die auch die weißen Wolken im blauen Himmelsmeer treibt. Da bilden sie noch einen weichen Teppich, der das gelb-warme Sonnenlicht aufgesogen hat, dort werden sie zu kleinen Teilchen auseinander gerissen, schweben tanzend in eine unendliche Ferne. Der Betrachter meint, im warmen Sommer auf dem Rücken im Gras zu liegen, den Blick in den Himmel gerichtet, von den Wolkenformen gefesselt und inspiriert. Bianca Blums großformatiges Gemälde lässt mich unwillkürlich an Lyonel Feininger denken, an seine wunderbaren Bildgeschichten vom kleinen Wee Willie Winkie, dessen fantasievoller Blick in den Wolken am Himmel einen lustigen Clownskopf sieht, dem die Nase immer länger wird, bis sie sich trennt und davon schwebt, oder in der dicken Regenwolke eine lächelnde Frau, die mit ihrer Regenkanne gießt, so dass sich Wee Willie unter seinen Regenschirm retten muss. Auch wenn Wolkenformen in einem Gemälde statisch, wie eingefroren in ihrer Form festgehalten sind – der kreative Blick des Betrachters sieht sie in Bewegung, so, wie er sie vom eigenen Blick in den Himmel kennt. Und wer kennt das nicht, dass unsere Fantasie in den Wolkenformen Bekanntes zu erkennen glaubt, ein Kamel, einen Wal, einen Löwen. Die unbestimmt amorphe und sich ständig ändernde Form der Wolken bieten dem Blick ein inspirierendes abstraktes Bild – und so, wie diese natürlichen „informellen“ Bildangebote, so lassen uns auch abstrakt-amorphe Gemälde fantasievoll deuten und spielen. Wenn dann, wie in einem anderen Bild von Blum, sich zu den weißen Wolken fliegende, schwebende Möwen gesellen, so motiviert der Blick ins horizontlose Blau, den weißen Wolken in eine schier unendliche Ferne folgen zu wollen. Wie sie wünscht man zu reisen, zu fliegen – packt einen ein sehnsuchtsvolles Fernweh. Da fällt manchem der Refrain aus Reinhard Meys bekanntem Lied ein: „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein…“ Die Leichtigkeit der zarten weißen Wolkenformen, ihr tanzendes Spiel im Blau des hinterfangenden Himmels – das animiert, die Erdenschwere zu vergessen, mit den Wolken zu reisen. „Schiff der Seligen! Nicht Erdenschwere/ Trägt sein Bord, ein leichtes Ätherspiel/ Steuert es im sonnenhohen Meere/ Froh entgegen einem guten Ziel.“ dichtete Alfons Petzold. Shaun Tan zeigt in seinem wundervollen textfreien Bildroman Ein neues Land zwei Doppelseiten Wolkenbilder: eine gewaltige Wolkenballung, die über dem Meer schwebt, das gerade der Dampfer mit dem Emigranten durchquert. Und dann 60 kleine quadratische Wolkenbilder, lauter unterschiedliche Formen vor dunklem Himmel – ein starkes Symbol für die Reise, für die lange Zeit des Reisens und des Wartens, aber auch für die Ungewissheit – wo geht die Reise hin, was erwartet uns? Auch Bianca Blums Wolken- und Meerbilder lösen diese Sehnsucht, lösen solche Fragen aus – die Reise, die diese Motive assoziieren lassen, haben kein Ziel, die Reise ist Reise für sich, die unseren Blick, unser Sehnen emotionsvoll in die Ferne zieht. Da glaubt man, man schwebe selbst oder blicke aus dem Fenster eines Flugzeuges auf die weichen Wolkenwattepolster, da zieht einen – wie schon in den Bildern Caspar David Friedrichs – die Weite von Meeresblau und Himmelsblau in eine unbestimmte Ferne, in eine zeitlose Ewigkeit. Das dynamische Spiel der Wellen, die quirlige Gischt und die bewegten Wolkenformen bieten dem Betrachter ein durchaus paradoxes Gefühl – die Sehnsucht in die Ferne, der Drang ins Meer hinauszufahren, in den Himmel aufzusteigen und mit zu fliegen – und zugleich der Eindruck von Stille, von tiefer Ruhe, Gelassenheit, Entspanntheit. Was für wunderbare Motive angesichts der Hektik, der Unrast und der Vollgepacktheit unseres Alltags.
Mit ihren Wolkenbildern steht Bianca Blum natürlich nicht allein. Sie ist in guter Gesellschaft, denn seit der Renaissance hat der Blick des sensiblen, achtsamen Künstlers die Wolken beobachtet und versucht sie im Bild zu fangen. Stundenlang, so wird berichtet, hat Piero di Cosimo die Wolken betrachtet, haben Tizian, Poussin und Lorrain ihre Schönheit, ihre majestätische Erscheinung mit dem Pinsel erfasst. Die Naturgewalt, die sich in den Regenwolken, im auftürmenden Schwarz der Gewitterfront zeigt, bedrohlich, gefährlich uns die Kleinheit und Ohnmacht des Menschen spüren lässt, sie hat Ruisdael fasziniert. Und die Romantiker haben ihren sehnsuchtsvollen Blick in die Natur und ihre Weite im Unerreichbaren des Wolkenbildes gespiegelt, Symbol der Unendlichkeit…

Den oben schon erwähnten Caspar David Friedrich hatte Goethe gebeten, ihm für seine Wolkenstudien visuelle Unterstützung zu geben. Friedrich hat das abgelehnt, ihm war das Bild genug und Goethes Ansatz vielleicht zu nüchtern, zu wissenschaftlich. Vielleicht nicht ganz falsch, hat Goethe doch versucht, in seinem Gedicht „Wolkenbildung“ den Beginn der wissenschaftlichen Wolkenbetrachtung durch den Engländer Luke Howard (1803) aufzugreifen. Howards Klassifikation in Stratus, Cumulus, Cirrus und Nimbus findet sich in den vier Gedichten Goethes, die aber doch zugleich das Sinnliche, Symbolische, Künstlerische der Wolken fassen wollen und auf eine Synthese der Betrachtungsweisen zielen: „Die Rede geht herab, denn sie beschreibt; Der Geist will aufwärts, wo er ewig bleibt.“

Bianca Blums Wolken- und Meerbilder haben auch etwas von dieser Synthese: die genaue, akribische Darstellung, die Präsentation des So-ist-es, die fotografisch-nahe Beobachtung und Fassung – und doch bleiben den Bildern das Leichte, das Spielerische und Träumerische erhalten, das ihnen die Kraft gibt, unsere Fantasie anzukurbeln. Die Faszination der Wolken, die unendliche Vielfalt ihrer Form und Bewegung, die sich aller wissenschaftlichen Erklärung und Klassifizierung immer wieder neu staunenden Blicken zeigt, hat die Wolkensammler, die Cloud Appreciation Society, animiert, seit 2004 Fotografien von Wolken zu sammeln. Der Wolkenatlas, den man im Internet bewundern kann, ist mehr als eine nüchterne Zusammenstellung; es ist ein Bilderbuch poetischen Reichtums. Und diese Einschätzung gilt auch für Bianca Blums Wolken- und Meerbilder. Sie zeigen einmal: ja, so ist die Natur, so ist das Meer, so ist der Himmel, sind die Wolken; und sie animieren unsere Fantasie. Ganz im Sinne der Gedichtzeilen: „Wolken sind Gedanken,/ die am Himmel stehn./ Keine Schrift der Erde/ schrieb sie je so schön“ wie es so treffend Herrmann Claudius (der Ur-Enkel von Matthias Claudius) ausdrückte. „Bis ans Ende der Welt“ heißt eines der Bilder von Bianca Blum. Es zeigt in Aufsicht das angeschnittene Deck eines Segelschiffs. Segel und Leinen ragen schräg von links ins Bild, voller Dynamik geht es den bewegten Wellen entgegen, nimmt das Schiff Fahrt auf. Wir sehen keine Menschen an Bord; wir sind es selbst, die hier mitsegeln, und unser Blick schließt alle Emotionen, alle Sehnsüchte ein, die schon immer die versprechende Ferne des Meeres und die Weite des Himmels im Menschen ausgelöst haben.

Prof. Dr. Dietrich Grünewald

 

 

 

 

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